KRITISCHER KONSUM UND MODE?

Missing worker Rina’s (18) Mother still waits for her missing daughter in front of the barricade. Debris of collapse is on the other side of the barricade.  Savar, Dhaka, Bangladesh. 24th July 2013.

Dass die Menschen in den Industrieländern immer größere Mengen konsumieren und das weit über das Maß ihrer existenziellen Bedürfnisbefriedigung hinaus, darf als gesichert gelten.


In der Lebensmittelindustrie beträgt beispielsweise die jährliche Menge an Lebensmitteln, die durch unnötige Umstände verloren geht oder verschwendet wird, weltweit über 1,3 Mrd. Tonnen. Das französische Parlament verabschiedete 2015 ein Gesetz, dass dem Großhandel verbietet, unverkaufte Nahrungsmittel wegzuwerfen, um ein Zeichen gegen diese Wegwerfkultur zu setzen. Solche Gesetze liegen in Deutschland noch in der Ferne. Dieser verschwenderische Umgang mit Lebensmitteln zeigt, wie Industrie/Konsument_innen/Verbraucher_innen in den Industrieländern mit Nachhaltigkeit und Massenkonsum umgehen. Es existiert ein Defizit an ethischem und somit auch nachhaltigem Denken und Verhalten.

FAST FASHION

 Mall culture jakarta36 ©Jonathan McIntosh - slowfashionblog.de

Beleuchtet man den Fashion-Sektor, dann kommt man zu folgenden Ergebnissen: Dieser Bereich ist im Vergleich zur Lebensmittel- oder Kosmetikindustrie von der Wissenschaft/Politik/Gesellschaft relativ wenig beleuchtet, obwohl die Modebranche der am stärksten wachsende Sektor ist. Dieses rapide Wachstum und der ansteigende Konsum führen zu einem stärkeren Ressourcenverbrauch. So werden für die Baumwollproduktion Unmengen an Wasser verbraucht und Flüsse durch Textilfarben vergiftet. Der Wettbewerbsdruckund die Globalisierung haben längst zu einer Verlagerung in Billigproduktionsländer geführt, in denen Menschenrechte nicht eingehalten werden. Gemäß KonsUmwelt (ein Agrar Koordination – Forum für Internationale Agrarpolitik e.V) kauft in Deutschland jeder Bürger zwischen 40 und 70 Kleidungsstücke pro Jahr – damit ist Deutschland gemeinsam mit den USA und der Schweiz an der Weltspitze.

„Statt Langeweile, lange shoppen“*

Shoppen und Konsum als Hobby ist das Credo einer Konsumgesellschaft. Die gesamte Wertschöpfungskette – von den Produzenten, über die Werbung und Magazine bis zu den Fast Fashion-Ketten- profitiert vom (Fast) Fashion Sektor, in der Regel aber nicht die Arbeiter_innen in den Produktionsstätten. Das Thema kritischer Konsum in der Modebranche ist immer noch eine Nische und zum Teil ein Tabuthema, weil fast jeder von uns gerne Mode mag/liebt/sich darüber identifiziert. Konsument_innen von heute verbrauchen viel und das für möglichst wenig Geld und größtenteils unreflektiert. In einer kapitalistischen Gesellschaft, in der Massenkonsum ungezügelt seinen Lauf nehmen kann, ist offene Kritik an diesem Sektor nicht gern gesehen. Die Anhänger der sogenannten Anti-Bewegung „Slow Fashion“ bilden eine sehr kleine Minderheit im Vergleich zu den Fast Fashion-Konsumenten. Trotz des ansteigenden Interesses an ethischer und nachhaltiger Mode zeigen viele wissenschaftliche Studien, dass das aber nicht zwangsläufig zum Kauf führt. Der Modemarkt wird zum größten Teil stark von Niedrigpreisen, Billigqualität und schnell wechselnden Trends dominiert.

Ehtisch korrekt?

 

© Tim Mitchell | www.timmitchell.co.uk

 

Immer mehr Blogs, die die neuesten Trends zeigen oder Prominente, die diese tragen, regen insbesondere junge Frauen an, immer mehr zu konsumieren, um modisch en vogue sein. In den Zeitschriften und Mode-Shows wird Mode als Ausdruck der Persönlichkeit gepriesen. Aber um welchen Preis? Dass die Umwelt und Menschenrechte darunter leiden? Und seien wir ehrlich: Individualität durch Mode ist längst passé und in der Regel sieht vieles gleich aus. Innerhalb von Tagen werden von den großen Modehäusern die Styles und Trends kopiert. Bekannte Designer entwerfen gemeinsam mit den großen Fast Fashion-Ketten Mode für erschwingliche Preise. Profit matters!

Ethical Fashion – Eco Fashion – Green Fashion

 

©lenaschokolade

 

Was ist nun unter den Begriffen „Ethische Mode“ und „Öko-Mode“ zu verstehen, die viele Konsument_innen verwirren? In der Literatur sind die Begriffe „Ethische Mode“ und „Öko-Fashion“ schwer voneinander abzugrenzen. Das englische Marktforschungsinstitut Mintel schlägt folgende Definition vor:

Ethical clothing refers to clothing that takes into consideration the impact or production and trade on the environment and on the people behind the clothes we wear. Eco clothing refers to all clothing that has been manufactured using environmentally friendly processes….Organic clothing means clothes that have been made with a minimum use of chemicals and with minimum damage to the environment and fairtrade is intended to achieve better prices, decent working conditions, local sustainability and fair terms for farmers and workers in the developing world”.**

 

©lenaschokolade_bild6Menschen, die ethisch und/oder nachhaltig konsumieren, wollen durch ihre bewussten Kaufentscheidungen oder durch eine Reduzierung ihres Konsums einen Beitrag zu einer gerechteren und nachhaltigeren Welt leisten und die Umwelt schonen. Ihnen sind die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten wichtig. Die vielen Begriffe zielen darauf ab, dass Konsumenten bewusst und reflektiert ihre (Kauf)-Entscheidungen treffen, und zwar nicht auf Kosten der Natur und des Menschen. Denn wer möchte schon, dass sein Kind oder seine Partnerin 15 Stunden unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen arbeiten muss, damit sich die Konsumenten in den westlichen Industriegesellschaften günstige Mode leisten können? Wer als Konsument_in zu der Erkenntnis kommt, dass moderne (Massen)-Konsummuster und Massenproduktion das ökologische und soziale Gleichgewicht negativ beeinträchtigen, der entzieht sich nicht mehr der ethisch Verantwortung, als mündiger Verbraucher eine aktive Rolle im Nachhaltigkeitsdiskurs übernehmen zu können.


* Werbeslogan eines U-Bahn Plakates der Wandelhalle Hauptbahnhof Hamburg
** Mintel. (2009). Ethical Clothing – UK 2009. London.
*** Abb 0) © Taslima Akhter | Rana Plaza Collapse: Death of A Thousand Dreams
Abb 1) © Jonathan McIntosh | Mall culture jakarta36
Abb 2) © Tim Mitchell | www.timmitchell.co.uk
Abb 3 & 4) © lenaschokolade

SLOW FASHION BLOG GASTAUTORIN

 

lamia

Lamia Arslan ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Helmut Schmidt Universität in Hamburg. Sie forscht und promoviert zum Thema Nachhaltiger und kritischer Konsum im Feld Mode. Nach Berufserfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit in Sambia und dem DR Kongo arbeitete sie bei einer großen Stiftung in Hamburg im Bildungsbereich. Im Rahmen der Hamburger Arbeitsgruppe „Nachhaltigkeit in Mode und Textil“ arbeitet sie seit Sommer 2016 zusammen mit Heike Derwanz, Annette Schützenmeister und Miriam Barbro Wolf  und ist Mitglied des Textilstammtisches Hamburg.

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3 Comments

  1. Ich danke Ihnen für den interessanten Artikel. Auch in der Mode kann man nachhaltig einkaufen. Man muss sich nur richtig informieren.
    Beste Grüße,
    Jens

  2. Ich shoppe wirklich gerne. Gerne sogar online. Warum? Einfach weil es einfach und bequem ist und weil ich einfach nicht gerne in muffigen Umkleidekabinen stehe und mit Bergen von Klamotten ringe. Darüber nachzudenken, wie viel Fashion ist eigentlich nötig, ist aber sinnvoll. Besonders wenn man an die Fast Fashion-Monster Primark & Co. denkt. Ich kaufe z.B. aufgrund meiner Vintage Liebe, super gerne in Second Hand & speziellen Vintage Shops ein. Das tolle daran ist, dass man zum einen super günstig an neue Klamotten kommt, Unikate shopped und gleichzeitig den von anderen weggeworfenen Klamotten ein neues Leben schenkt. Man sollte das viel mehr machen, besser über das nachdenken, was man kauft und auch von wem oder wo.

    Danke für den tollen Beitrag und den Denkanstoß.

    Liebe Grüße
    Nika

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